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Stadt und Land: Konkurrenz- oder Abhängigkeitsverhältnis? Weinviertler Wirtschaftsgespräche der Erste Bank im Stadtsaal

Copyright StadtGemeinde Mistelbach

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17. Mai 2018

Verbunden mit der Globalisierung schreitet auch die Digitalisierung unweigerlich voran. Wer sich aufgrund der technischen Entwicklung jedoch dem Trend der Zeit nicht rechtzeitig anpasst, kann leicht ins Abseits schlittern und wirtschaftspolitisch genauso wie kulturtouristisch uninteressant werden. Ländliche Räume und urbane Regionen stehen dabei in einem ständigen Konkurrenzverhältnis zu einander und sind doch auch gegenseitig voneinander abhängig! Wie sehr die Stadt vom Land, und umgekehrt das Land von der Stadt profitieren kann, wie diese sich gegenseitig ergänzen können und wo sie zueinander in einem Konkurrenzverhältnis stehen, war am Donnerstag, dem 3. Mai, Thema der 12. Weinviertler Wirtschaftsgespräche der Erste Bank im Stadtsaal Mistelbach. Ein hochkarätiges Publikum mit Landeshauptmann a.D. Dr. Erwin Pröll, Wirtschaftskammer-Vizepräsident Landtagsabgeordneten Mag. Kurt Hackl, dem Geschäftsführer von Pro-Ject Systems und Audio Tuning Heinz Lichtenegger, der Geschäftsführerin der Helmut Pemsel GmbH Kommerzialrätin Dr. Jutta Pemsel sowie dem Vorstand der Erste Bank Österreich Mag. (FH) Thomas Schaufler versuchte bei einer interessanten Diskussion Antworten darauf zu geben. Köchin und Autorin Dr. Eva Rossmann moderierte den Abend.

Zweifelsohne! Sieht man sich die Entwicklung von ländlichen Regionen, speziell des Weinviertels an, so hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges getan! Das Potential einer aufstrebenden Region ist deutlich spürbar, die Infrastruktur wurde weiterausgebaut, im Bereich der Digitalisierung wurden neue Fortschritte erzielt und letztlich hat sich das Weinviertel dadurch auch zu einer wirtschaftlich interessanten Region entwickelt. Und, auch die Mentalität der Menschen hat sich geändert! Während man früher eher abgeneigt war, Positives über die Menschen am Land zu verlieren und eher Vorurteile hatte, ist man heute deutlich offener, wie Landeshauptmann a.D. Dr. Erwin Pröll hervorhob: „In den 1970er Jahren war die Ausgangssituation im Vergleich zu heute eine völlig andere! Dies ist zum einen historisch bedingt durch den unüberwindbaren Eisernen Vorhang bzw. durch die einstige russische Besatzung, aufgrund der das Weinviertel in der Nachkriegszeit deutlich benachteiligt war. Zum anderen war die Stadt und ihre Attraktivität damals „in“, weil es psychologisch besser war, dorthin zu gehen“, erinnert sich der ehemalige Landehauptmann zurück. „Doch heute hat die Stadt für viele an Attraktivität verloren. Denn je digitaler und virtueller die Welt wird, umso mehr haben die Menschen wieder Sehnsucht danach, in der „realen Welt“ zu leben!“

Ein Konkurrenzverhältnis soll es jedoch keinesfalls geben, dies würden beiden Regionen nichts bringen: „Stadt und Land sind Partner und brauchen sich gegenseitig. Gerade für das Weinviertel mit der geografischen Nähe zu Wien kann die Bundeshauptstadt eine unglaubliche Chance sein, denn es gibt nicht mehr nur die Landflucht, sondern auch die Stadtflucht! Letztere darf jedoch nicht zum Fluch des ländlichen Raumes werden! Um dies zu verhindern, ist die Politik gefragt!“

Darum gilt es, das Weinviertel laufend auszubauen – egal in welchem Bereich – um die Attraktivität des ländlichen Raumes möglichst hoch zu halten. Dass in den letzten Jahrzehnten gerade in unserer Region enorm viel passiert ist, unterstrich Wirtschaftskammer-Vizepräsident Landtagsabgeordneten Mag. Kurt Hackl mit Zahlen: „Vor zehn Jahren hatten wir im Weinviertel noch 4.000 Betriebsstandorte, heute sind es bereits 6.500! Luft nach oben gibt es immer, aber ein deutlicher Unterschied ist spürbar“, erinnert sich der Landtagsabgeordnete zurück. „Als wir in Wolkersdorf begannen, den Wirtschaftspark zu bauen, wurde uns vorgeworfen, dass es die am besten beleuchteten Äcker sind. Heute haben sich dort internationale Top-Unternehmen angesiedelt und wir können die Früchte von damals ernten. Genau diese Top-Unternehmen sind perfekte Meinungsbildner für unsere Region!“

Einer dieser Top-Unternehmer, der die Vorteile von beiden Seiten nur zu gut kennt, ist Heinz Lichtenegger, erfolgreicher Unternehmer und Weltmarktführer für Plattenspieler. Er hat sich vor Jahrzehnten mit dem Verkauf von hochwertigen Plattenspielern selbständig gemacht, seine Firma in Wien aufgebaut und nun ein hochmodernes, ökonomisch ansprechendes Headquarter inkl. Logistikzentrum am Wirtschaftspark A5 Mistelbach/Wilfersdorf aufgebaut. Für Heinz Lichtenegger, der seine Produkte mittlerweile in über 80 Länder der Welt exportiert, sind die Grenzen zwischen Stadt und Land fließend: „Wenn man, wie im Weinviertel, dank der A5 Nordautobahn nur 35 Minuten vom Flughafen entfernt ist, ist man nicht am Land! Wir befinden uns hier in einer wirtschaftlich enorm pulsierenden Region, die unglaublich viel Kraft und sehr viel Zukunft hat“, lobte der erfolgreiche Unternehmer die Schritte, die zur Entwicklung des Weinviertels in den letzten Jahren gesetzt wurden. Gleichzeitig sieht er aber Verbesserungsbedarf in manchen Punkten: „Infrastrukturell fehlt ein Autobahnanschluss von Prag und Brünn nach Wien, dies würde touristisch viel bringen! Und es fehlt an Unterkünften und ausreichender Gastronomie, hier haben wir noch enormen Aufholbedarf! Denn die Konsumenten von heute, die auch bereit sind in die Brieftasche zu greifen, sind in höchstem Maße anspruchsvoll und wollen Kunst, Kultur, Wellness und vieles mehr geboten bekommen. Wenn sie bei uns am Land sind, wir ihnen das aber nicht bieten können, dann profitiert davon Wien, wo all dies vorhanden ist“, unterstreicht Lichtenegger.

Ähnlich wie Heinz Lichtenegger sieht es die erfolgreiche Geschäftsfrau Kommerzialrätin Dr. Jutta Pemsel, Inhaberin der Kaufstrasse-Kette und einiger Franchisegeschäfte: „Mit unserem Unternehmen sind wir eng mit dem Weinviertel verwurzelt. Wir hatten zwar auch zwei Franchisegeschäfte in Wien, sind aber rechtzeitig zurückgekehrt“, schmunzelt Dr. Pemsel und nennt die Gründe dafür: „Es ist einfach eine ganz andere Lebensqualität hier als in Wien, mit anderen Kunden, anderen Mitarbeitern und anderen Einkaufsverhältnissen. Und es ist am Land leichter mit den Kunden zu kommunizieren und damit auch die eigene Leistung und Qualität zu zeigen!“

Was den digitalen Fortschritt betrifft, sieht die tüchtige Unternehmerin einen positiven Weg für die Region: „Wir leben durch die Digitalisierung in einem neuen Zeitalter! Gerade für den stationären Handel ist es das Gebot der Stunde, auf die Digitalisierung zu setzen und z.B. soziale Medien für eigene Werbezwecke zu nutzen. Dieser Entwicklung muss man optimistisch entgegensehen!“

Von der Digitalisierung nicht ausgenommen, ist natürlich auch das Bankenwesen, wo sich in den letzten Jahren ebenso einiges getan hat, wie Erste Bank-Vorstand Mag. (FH) Thomas Schaufler schilderte: „Während man früher überall hinfahren musste, um Bankgeschäfte zu erledigen, kann man heute alles von zu Hause machen. Als Erste Bank sind wir in Burgenland, Niederösterreich und Wien vertreten und wollen das auch bleiben. Damit dies möglich ist, nutzen wir die Qualität unserer Zentralbank in Wien, wo wir dank der Digitalisierung z.B. mittels Videokonferenzen mit unseren Filialen am Land kommunizieren“, so der Erste Bank Vorstandschef und hob hervor: „Die Sorgen der Kunden sind in der Stadt und am Land gleich, nur kennt man die Menschen am Land besser. Wäre in unserer Branche nur mehr alles elektronisch und digital, ohne jeglichen menschlichen Kontakt, läuft man als Kunde leicht Gefahr, die Bank zu wechseln!“

Eine Einschätzung, die auch der ehemalige Landeshauptmann für regionalpolitische Entscheidung voll und ganz unterstreicht: „Das Psychologische ist das Entscheidende, damit Regionalpolitik funktioniert!“, wie er am Beispiel der Therme Laa an der Thaya erklärte, wo die gesamte Region damals mit eingebunden wurde: „Ein noch so schönes Investment funktioniert nicht, wenn dieses nicht von der Region mitgetragen wird! Es hängt stark von den Menschen ab weshalb man sich im Vorfeld genau überlegen muss, wo man einen Euro investiert, damit er sich nach Jahren optimal verzinst!“

Und die Zukunft? Welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, damit das Weinviertel auch künftig eine aufstrebende Region bleibt? „Wir brauchen zum einen unbedingt den Breitbandausbau. Es ist viel Geld, das wir hier in die Hand nehmen müssen, aber diesem neuen Datenhighway müssen wir uns stellen, um attraktiv zu bleiben. Zum anderen müssen wir noch mehr die Lehrlingsausbildung und die tertiäre Ausbildung forcieren. Denn Betriebe werden sich nicht hier ansiedeln, wenn es kein entsprechendes Facharbeiterangebot gibt“, betonte Landtagsabgeordneter Mag. Kurt Hackl.

Dass die rasante Digitalisierung auch Nachteile mit sich bringen kann, davor warnte abschließend der ehemalige Landeshauptmann: „Die Digitalisierung darf keinesfalls zu einer „heiligen Kuh“ werden! Denn dadurch werden wir auch entmenschlicht. Das Zusammenleben ist das wesentliche. Das war immer so und wird auch immer so bleiben. Die Digitalisierung soll lediglich als Instrument dienen und uns nicht die menschlichen Beziehungen nehmen!“

Nach einer spannenden Diskussion folgte ein unterhaltsames Kabarett mit Mike Supancic, der mit seiner „Auslese“ besonders feine Nummern aus über zwei Jahrzehnten präsentierte, ehe der Abend bei köstlichem Buffet mit Weinviertler Schmankerl und leckeren Weinen aus der Region ausklang.

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