11. Mai 2023
Haben Sie gewusst, dass Mistelbach eine Wallanlage hat? Mitten im großen Wald nahe der Kleinhadersdorfer Straße? Nein? Da sind Sie wohl nicht allein. Und doch, der bzw. die eine oder andere hat schon mal davon gehört, irgendwas Urgeschichtliches mit Awaren, eine Wallanlage, aber wo genau? Tatsächlich gibt es eine Wallanlage, noch dazu eine der schönsten in der weiten Umgebung, und vollständig! Diese neolithische Wallanlage wird nun professionell ausgegraben und vermessen.
Wie alt die Anlage ist, kann nicht genau datiert werden. Schätzungen und Vergleiche bezüglich der Bauform (Innengraben und Außenwall) deuten derzeit in die späte Steinzeit (Lengyel-Kultur), das wären etwa 7.000 Jahre! Somit ist es definitiv das mit Abstand älteste „Bauwerk“ in Mistelbach.
Bis jetzt gab es aber keinerlei Funde – lediglich ein paar Scherben in einer Wildschwein-Kuhle – oder gar Grabungen, die diese Angaben bestätigen könnten, sodass letztlich der Entschluss gefasst wurde, mittels privater Initiative von einem Trupp historisch interessierter Laien, eine entsprechende Ausgrabung unter der Leitung des Bundesdenkmalamtes durchzuführen. Von diesen Grabungen überzeugte sich Ende April auch Bürgermeister Erich Stubenvoll, der dem Grabungsteam einen Besuch vor Ort abstattete.
Das Ergebnis bis jetzt sind mehrere Pfostenlöcher, die zur Bebauungsstruktur der Anlage gehörten, eine Anzahl unterschiedlich großer Keramikstücke sowie ein großes Stück eines verkohlten Balkens, mit dem eine C-14 Untersuchung durchgeführt werden soll, sodass anschließend ziemlich genau das Alter dieses Balkens festlegt. Natürlich dauert das seine Zeit, aber was sind schon ein paar Wochen im Vergleich zu den letzten 7.000 Jahren! Und kann einmal gesagt werden, wie alt die Festung ist, wäre noch interessant zu wissen, wie sie damals aussah, aber mit Sicherheit sehr eindrucksvoll...
Rückblick:
Im Mai 2020 wurde die Wallanlage im Mistelbacher Wald begangen. Sie befindet sich am südlichen Ende eines Hügelzuges, der aus Richtung Hadersdorf zwischen zwei Tälern nach Süden verlauft. Die Höhe über Adria ist knapp über 300 Meter, die Anlage ist in etwa birnenförmig mit einem maximalen Durchmesser von 132 Meter. Der Erdwall ist heute an keiner Stelle höher als maximal zwei Meter und hat durchwegs eine Krone von zwei bis drei Meter Breite, doch als er noch „neu“ war, hatte er bestimmt, mit den Palisaden, die dreifache Höhe!
An der Westseite sind auf der Wallkrone zwei leichte Mulden zu erkennen, offenbar eine MG-Stellung. Ein etwas oberhalb dieser Stellung zutage getretener Granatsplitter bestätigt indirekt dieses Detail der jüngeren Zeitgeschichte.
Forschungsauftrag des Instituts für archäologische Denkmalforschung:
Im Zuge eines Forschungsauftrages des Instituts für archäologische Denkmalforschung, angeregt durch eine regionale Forschergruppe um Herrn Michael Sklensky, wurde eine große Teilfläche innerhalb des Ringwalles auf der Flur Schlossleiten durch eine archäologische Prospektion mit Geomagnetik untersucht. Ziel war es, möglichst viele Informationen über Art, Größe und Ausdehnung der Anlage zu sammeln, um potenzielle Flächen für eine folgende Grabung zu definieren und Anhaltspunkte für die chronologische Einordnung der Anlage zu sammeln. Aufgrund des hervorzuhebenden Einsatzes der engagierten Heimatforscherinnen und -forscher konnte ein knapp 3.600 m² großes Areal der Wallanlage ausgeholzt und anschließend gemessen werden. Mithilfe der geophysikalischen Messungen konnte fast die Hälfte der Fundstelle ausgemessen werden und mehrere Anomalien im Inneren der mit einem Graben mit vorgelagerten Vorwall befestigten Anlage erfasst werden. Darunter befindet sich, neben einige als Gruben zu interpretierenden Anomalien, auch ein vermutlicher Hausgrundriss mit Wandgräbchen. Die Gräben der Fortifikation sind sowohl im Osten als auch im Westen auch geophysikalisch fassbar, dazu konnte im Osten an den Kanten der hier im Gelände erhaltenen Vorwallaufschüttung zwei begrenzende grabenartige Anomalien werden, welche möglicherweise eine elaborierte Vorwallkonstruktion indizieren. Geophysikalisch erfasste unmittelbar innerhalb des östlichen Grabens gelegene Strukturen weisen auf eine Holzkonstruktion für einen innere Wallbefestigung.
Aufgrund der Datenlage durch die Messung und der im Zuge der Feldarbeiten beobachteten Funde kann die Anlage als einfache, wahrscheinlich frühbronzezeitliche Wall Grabenanlage angesprochen werden.