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„Die jüdische Gemeinde Mistelbachs bis 1938“: Denkwürdige Ausstellung in einem denkwürdigen Haus

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22. November 2018

Juden wurden unter verschiedenen Aspekten dargestellt: als Angehörige einer Religion, als Angehörige einer eigenen Rasse oder als Angehörige einer Nation. Was sie aber auf jeden Fall damals wie auch heute waren und sind: Menschen wie wir alle! Diesen Menschen, von denen in der Nacht von 9. auf den 10. November 1938, Hunderte - getrieben von Hass und Feindseligkeit - von den Nazis ermordet wurden, widmet sich eine einzigartige, sehenswerte Dauerausstellung unter dem Titel „Die jüdische Gemeinde Mistelbachs bis 1938: Dokumentation über das Schicksal der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Mistelbach“, die am Sonntag, dem 11. November, einem schicksalhaften und denkwürdigen Tag, in den Räumlichkeiten beim Israelitischen Friedhof eröffnet wurde. Knapp 250 interessierte Mistelbacher sowie sogar Gäste aus den USA und aus Israel folgten der Einladung zur Ausstellung, die in monatelanger Recherche von Christa Jakob akribisch aufbereitet und in grafischer Form von Heinz Eybel umgesetzt wurde. Feierlich eröffnet wurde die einzigartige Schau, die in Form einer Dauerausstellung konzipiert ist, von NÖ Landtagspräsident Mag. Karl Wilfing. Im Anschluss lud die Tochter von Christa Jakob, Zeitreiseführerin Brigitte Kenscha-Mautner, BA, zu einer thematisch passenden Führung unter dem Titel „Weg der Erinnerung“.

Gemäß dem Zitat aus der Bibel „Denk an die Tage der Vergangenheit, lerne aus den Jahren der Geschichte!“, könnte der Anlass der Eröffnung der neuen Dauerausstellung über „Die Jüdische Gemeinde in Mistelbach bis 1938“ zusammengefasst werden, die seit kurzen die Räumlichkeiten beim Israelitischen Friedhof ziert: „Diese wie auch die einstige Ausstellung „Verdrängt und Vergessen“ soll uns immer daran erinnern, dass wir eben nicht vergessen sollen. Sie soll uns daran erinnern, dass die jüdische Gemeinde immer ein fixer Bestandteil in unserer Stadt war. Die Ausstellung zeigt die Realität und führt uns vor Augen, was einst war“, betonte Bürgermeister Dr. Alfred Pohl am Tag der Eröffnung und bedankte sich bei Christa Jakob, die federführend für die Umsetzung der mit zahlreichen Tafeln und Bildern bereicherten Schau verantwortlich war: „Christa Jakob hat sich ihr Leben lang der Geschichte der Stadt verschrieben, sie ist sozusagen das geschichtliche Gewissen Mistelbachs!“

Feierlich eröffnet wurde die Dauerausstellung von NÖ Landtagspräsidenten Mag. Karl Wilfing, der ebenfalls zum Erinnern und Stimme erheben mahnte: „Diese Gedenkstätte soll zeigen, dass die jüdische Gemeinde zu uns gehört. Es ist unsere Aufgabe, sich daran zu erinnern aber auch Stimme zu erheben, wenn verallgemeinert wird. Dann können wir am meisten aus der Geschichte die richtigen Lehren ziehen und Handlungen folgen lassen! Denn das Volksganze kann und darf niemals mehr wert sein, als der einzelne Mensch!“

Nicht persönlich anwesend, aber die besten Grüße in schriftlicher Form zum Ausdruck brachte auch Mag. Gernot Blümel, Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien: „Die Vergangenheit ist immer ein Teil von uns und unser Verhältnis zur Vergangenheit und unsere Verantwortung dafür prägt auch den Weg in die Zukunft. Daher ist gerade diese Dokumentation über das Schicksal der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Mistelbach und die Errichtung einer öffentlichen Dauerausstellung grundlegend. Sie schafft einen wertvollen Beitrag für das öffentliche Bewusstsein, sie ist unverzichtbare Mahnung und Auftrag zu gleich! Der besondere Dank gilt daher der Gemeinde und der Initiatorin, dass hier in Ihrer Stadt ein Beitrag des Gedenkens und des Lernens für die Zukunft geschaffen wurde!“

Wie die Ausstellung entstand:
„Bereits 2002 wurde in Mistelbach eine Ausstellung unter dem Titel „Verdrängt und Vergessen“ gezeigt. Aufgrund einiger Umstände war es erforderlich, die Ausstellung neu zu texten“, erinnert sich Christa Jakob zurück. Im Frühjahr dieses Jahres fand dann schließlich das erste Treffen zwischen Christa Jakob und Vertretern der Politik statt, wo der Grundstein für die Ausstellung gelegt wurde: „Schon damals hatte Christa Jakob die Ausstellung genau im Kopf und wusste, wie diese aussehen soll“, erinnert sich Kulturstadtrat Klaus Frank zurück, „als Politik war es unsere Aufgabe, den benötigten, finanziellen Rahmen zur Verfügung zu stellen!“

Und so wurde im Jahr 2015 vom Bauhof der StadtGemeinde Mistelbach damit begonnen, das bestehende Gebäude vor Ort zu sanieren, sodass eine Nutzung dieser Räumlichkeiten für eine Dauerausstellung möglich wurde. Die notwendigen, letzten Arbeiten am Gebäude konnten im Sommer 2018 abgeschlossen werden.

Maßgeblichen Anteil an der Umsetzung dieser Schau hatten neben Christa Jakob auch ihre Tochter Brigitte Kenscha-Mautner, staatlich geprüfte und EU-zertifizierte Fremdenführerin in Mistelbach, sowie Grafiker Heinz Eybel. „Mistelbach hat sich einst gerühmt, die erste „judenfreie bzw. -reine“ Gemeinde zu sein. Heute ist Mistelbach die einzige und erste Stadt, die eine Gedächtnisstätte musealer Art hat. Nun soll dieses Haus ein Haus der Geschichte sein, in dem man sich auf eine spannende Zeitreise begeben kann“, freut sich Christa Jakob.

Die Israelitische Kultusgemeinde in Mistelbach:
Bereits im Schuljahr 1886/1887 wurde der Religionsunterricht für die jüdischen, schulpflichtigen Kinder an der Mistelbacher Schule eingeführt. 1890 erließ Kaiser Franz Joseph das erste große Israelitengesetz, dass die Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgemeinschaft regelte. 1892 kam es schließlich zur Gründung der israelitischen Kultusgemeinde Mistelbach, vier Jahre später folgte der Bau der Mistelbacher Synagoge, die am 25. Februar 1896 feierlich eingeweiht wurde.

Der israelitische Tempel in Mistelbach wurde einst von dem in Ungarn geborenen Architekten Friedrich Schön errichtet, der an der Technischen Hochschule sowie an der Akademie der bildenden Künste studierte und ein anerkannter Architekt mit internationalem Renommee wurde. Die Mistelbacher Synagoge errichtete er nach dem Schema einer Basilika in Sichtziegelbauweise, zur dekorativen Ausgestaltung wurde ein byzantinisch-romanisches Formenrepertoire eingesetzt.

1938 musste der Tempel an die StadtGemeinde übergeben werden, die Hitlerjugend benutzte ihn als „Heimstätte“. Im Mai des darauffolgenden Jahres sind Mistelbacher über den Zaun der Synagoge geklettert und haben Kultgegenstände geraubt. In den beiden Jahren 1944 und 1945 waren 21 ungarische Juden als Zwangsarbeiter in der Synagoge untergebracht. Die Synagoge überlebte den Krieg als Magazin, doch wurde sie 1945 von SS-Mitgliedern angezündet, damit die Lebensmittelvorräte nicht in die Hände der Russen fallen würden. 1956 wurde die Synagoge an die israelitische Kultusgemeinde zurückgegeben, die sie 1976 an ein privates Ehepaar verkaufte. Daraufhin erfolgte schließlich der Abbruch des Tempels.

Heute zeugt „nur noch“ der jüdische Friedhof in der Waldstraße von der Existenz der israelitischen Gemeinde in Mistelbach…

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