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Erstes Halbjahr: 75.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer suchten Hilfe bei der Arbeiterkammer Niederösterreich

Foto zur Verfügung gestellt (v.l.n.r.): Arbeiterkammer Niederösterreich-Bezirksstellenleiter Rudolf Westermayer und Arbeiterkammer Niederösterreich-Kammerrat Peter Schadulek

09. September 2021

75.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben allein im ersten Halbjahr die Hilfe der Arbeiterkammer Niederösterreich wegen Problemen am Arbeitsplatz gesucht. Das zeigt eine Auswertung der arbeits- und sozialrechtlichen Beratungen der Kammer. Die anhaltende Corona-Pandemie verschärfte die Probleme für viele Betroffene. Arbeiterkammer Niederösterreich-Kammerrat Peter Schadulek sieht Verbesserungs- und Gesprächsbedarf vor allem beim Kündigungsschutz.

Unklare Lohnabrechnungen bei der Kurzarbeit, Kündigungen trotz Kündigungsschutz in der Kurzarbeit, Chefs, die mit der Begründung Pandemie auf einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses drängen, nicht eingehaltene Wiedereinstellungszusagen. Kaum ein Themenkomplex hat heuer für so viele Probleme am Arbeitsplatz gesorgt wie die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen. Das zeigt die Auswertung der arbeits- und sozialrechtlichen Beratungen durch Expertinnen und Experten der Arbeiterkammer Niederösterreich im ersten Halbjahr 2021.

Zwischen 1. Jänner und 30. Juni suchten knapp 75.000 niederösterreichische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hilfe der Arbeiterkammer Niederösterreich. „Bei einem großen Teil der Anfragen konnten unsere Expertinnen und Experten schon mit einer Beratung weiterhelfen, etwa indem sie die Lohnabrechnung überprüften“, schildert Kammerrat Schadulek und ergänzt: „Für fast 7.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mussten wir ausstehende Löhne und Gehälter beim Arbeitgeber einfordern oder vor Gericht einklagen beziehungsweise ihre Ansprüche nach einer Insolvenz sichern. Inkludiert sind hier auch unsere sozialrechtlichen Vertretungen, also etwa, wenn wir schwer kranken Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer helfen, zu einer Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension zu kommen.“

Für all diese Menschen erkämpfte die Arbeiterkammer Niederösterreich im ersten Halbjahr Ansprüche in der Höhe von insgesamt knapp 19,5 Millionen Euro. Der Großteil war Nachzahlungen ausstehender Löhne und Gehälter, nicht bezahlte Urlaubs- oder Kündigungsentschädigungen und Abfertigungen, die den Betroffenen zu Unrecht vorenthalten worden waren. „Ohne unsere Beratung und Rechtsvertretung wären die meisten Betroffenen nicht zu ihrem Geld gekommen“, fasst er zusammen.

Für Kammerrat Schadulek zeigen die Probleme, dass es einen besseren Schutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer braucht: „Kündigungen sind in Österreich sehr arbeitgeberfreundlich geregelt. Gekündigt werden darf in der Privatwirtschaft immer ohne Grund. Das ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Gekündigt werden darf auch im Krankenstand oder selbst nach einem Arbeitsunfall. Lediglich Fristen und Termine sind einzuhalten. Derzeit kann in Österreich nur in besonderen Fällen eine Kündigung angefochten werden. Wir fordern daher bessere Möglichkeiten zur Kündigungsanfechtung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben in Österreich also sicher Verbesserungs- und Gesprächsbedarf. Mit Arbeiterkammer und Gewerkschaft haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur in dieser Angelegenheit starke Partner an ihrer Seite.“

Corona: Arbeitgeber „vergaß“ auf offenen Urlaub
Es war nicht das erste Mal, dass ein LKW-Fahrer aus dem Bezirk Mistelbach während der Auftragsflaute im Winter „stempeln“ geschickt wurde. Allerdings war es das erste Mal, dass sein Arbeitgeber die zugesagte Wiedereinstellung im Frühjahr nicht einhielt – wegen Corona. Und bequemerweise „vergaß“ er, dass der nunmehr ehemalige Fahrer aus dem alten Arbeitsjahr noch 18 Urlaubstage und 64 Überstunden stehen gehabt hatte. Die hätte er in einem normalen Jahr in den neuen Arbeitsvertrag mitgenommen. „Nur gab es diesmal keinen neuen Arbeitsvertrag, das heißt, der Spediteur hätte das auszahlen müssen“, schildert Arbeiterkammer Niederösterreich-Bezirksstellenleiter Rudolf Westermayer. „Das hat er nicht getan, und auch die Arbeitspapiere und das Arbeitszeugnis hat der Fahrer nicht bekommen.“ Die Arbeiterkammer Niederösterreich forderte den offenen Betrag und die ausstehenden Unterlagen bei der Spedition ein. „Es hat zwar einige Korrespondenz gebraucht, aber am Ende hat der ehemalige Arbeitgeber die ausstehenden 2.747 Euro nachbezahlt. Ganz wichtig ist, dass man sich offene Urlaubsansprüche und Mehr- und Überstunden immer bestätigen lassen sollte, dann hat man später auch einen Beweis. Und eigene Aufzeichnungen sind sowieso wichtig.“

Halbjahres-Bilanz 2021 im Bezirk Mistelbach:
Leistungen für die Mitglieder im Überblick:
In der Bezirksstelle angedockt: 4.157
Konkrete Beratungen in Problemfällen: 1.738
Im Arbeits- und Sozialrecht eingebracht: 764.925 Euro
Davon Insolvenzvertretung: 879 Euro
Für die Mitglieder insgesamt erreicht: 1.130.432 Euro

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeiterkammer-Bezirksstelle begann das neue Jahr, wie das alte geendet hatte, nämlich im Zeichen der Coronakrise. „Mehr als 4.000 Menschen haben im ersten Halbjahr 2021 mit uns Kontakt aufgenommen“, erzählt Bezirksstellenleiter Rudolf Westermayer. „Dabei ging es manchmal lediglich um rasche Auskünfte und Informationen zu Kurzarbeit, einvernehmlicher Lösung, Kündigung, Quarantänebestimmungen, Homeoffice und Freistellung wegen Kinderbetreuung“, so Westermayer. In mehr als 1.700 Fällen benötigten die Menschen hingegen weiterführende Beratung und die Unterstützung der Arbeiterkammer-Expertinnen und -Experten in konkreten Problemfällen. „Gerade die aktuelle Krise macht einmal mehr deutlich, wie wichtig wir als regionale Anlaufstelle sind. Das gilt auch für weitere Serviceangebote, die im Zuge von Corona an Bedeutung gewannen. So ließen sich zum Beispiel 67 Mitglieder bei uns die Handysignatur kostenlos freischalten. Auch der Anteil an telefonischer Beratung, über die rund drei Viertel aller Anfragen abgewickelt wurden, blieb deutlich über dem Vorkrisenniveau“, zieht Westermayer Bilanz. Insgesamt hat die Bezirksstelle Mistelbach im ersten Halbjahr 2021 mehr als 1,13 Millionen Euro für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Region gesichert.

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