15. Mai 2025
Warum bestehen manche Unternehmen über Jahrhunderte, während andere schnell wieder vom Markt verschwinden? Die Weinviertler Wirtschaftsgespräche der Erste Bank beleuchteten in ihrer diesjährigen Ausgabe im Stadtsaal Mistelbach, ob Tradition und Innovation unvereinbare Gegensätze sind oder sich in Wahrheit ergänzen. Univ. Prof. Markus Hengstschläger lieferte dazu in seiner Keynote inspirierende Denkanstöße.
Die Frage, warum manche Unternehmen über Generationen hinweg Bestand haben und andere rasch wieder vom Markt verschwinden, bewegt viele Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Entscheiderinnen und Entscheider. Besonders in Zeiten schnellen Wandels ist dieses Thema aktueller denn je. Im Zentrum der heurigen Weinviertler Wirtschaftsgespräche stand daher das Wechselspiel zwischen Tradition und Innovation. Wolfgang Seltenhammer, Filialleiter Kommerz Region Weinviertel, Erste Bank, betonte in seiner Begrüßung die essenzielle Bedeutung der Frage, was Unternehmen tatsächlich dauerhaft erfolgreich macht und wie die scheinbaren Gegensätze zwischen Tradition und Innovation sinnvoll aufgelöst werden können.
Mensch und Maschine: Schnittstellen als Zukunftskompetenz
Ein Highlight der diesjährigen Gespräche war die Keynote von Univ. Prof. Markus Hengstschläger, international anerkannter Genetiker. In seinem Vortrag „Mit Lösungsbegabung die Zukunft gestalten“ beleuchtete er die zunehmende Bedeutung der Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine im privaten wie beruflichen Umfeld. Die Fähigkeit, an dieser Schnittstelle erfolgreich zu agieren, werde eine zentrale Aufgabe der Zukunft sein und erfordere eine umfassende digitale Bildung. „Wir erleben aktuell einen tiefgreifenden Wandel im Zusammenspiel von Mensch und Maschine – sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld. Die Zahl und Bedeutung dieser Schnittstellen nimmt stetig zu. Erfolgreiches Handeln an diesen Nahtstellen wird eine der Schlüsselkompetenzen der kommenden Jahre sein.“
Er betonte, dass der Mensch – auch durch genetische Voraussetzungen – große Potenziale in der Entwicklung von Lösungen besitzt. In einer Welt, die durch digitale Transformation geprägt ist, übernehmen Maschinen zunehmend Aufgaben, die sie besser erledigen können als der Mensch. Die größte Stärke des Menschen bleibt jedoch seine Empathie und Fähigkeit zur kreativen Problemlösung. Dies bietet Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil.
Lösungsbegabung als Zukunftskompetenz
Hengstschläger wies darauf hin, dass die Fähigkeit, Lösungen kreativ und empathisch zu entwickeln, in der Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Unternehmen, die diese Kompetenz gezielt in ihrem Team fördern, schaffen sich die Grundlage für nachhaltigen Erfolg. Bewährte Traditionen können so als Fundament für innovative Spitzenleistungen dienen – sie sind kein Widerspruch, sondern ergänzen einander. „Lösungsbegabung ist, wie jedes Talent, zu einem gewissen Grad genetisch veranlagt. Doch entscheidend ist: Sie lässt sich durch kontinuierliches Üben und gezielte Förderung weiterentwickeln. Das bedeutet, Kinder und Erwachsene sollten ermutigt werden, Ideen zu entwickeln, neue Wege auszuprobieren und auch aus Fehlern zu lernen. Eine konstruktive Fehlerkultur und Resilienz sind hierfür die Grundlage“, so Markus Hengstschläger. Es reiche nicht aus, bestehende Lösungen tradierter Probleme in die nächste Generation zu übertragen. Vielmehr müssten wir uns gezielt darauf vorbereiten, immer wieder Neues zu denken und neue Herausforderungen zu meistern. „Das aktive Einüben von Lösungsbegabung ist daher für mich ein zentrales Anliegen.“
Tradition trifft Innovation
Auch wenn Bewährtes weiterhin wertvoll bleibt, führt kein Weg an der Innovation vorbei, so der Experte. „Fortschritt entsteht, indem wir auf etabliertem Wissen aufbauen, dieses aber immer wieder kritisch hinterfragen und anpassen. Innovation wiederum ist ein Ausdruck gelebter Lösungsbegabung – sie zeigt sich dort, wo Menschen mutig Neuland betreten und kreative Antworten auf bisher ungelöste Fragen finden.“ Gerade die digitale Transformation und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz würden hierbei enorme Potenziale bieten. „KI nimmt uns Routine- und Verwaltungstätigkeiten ab und schafft Freiräume für kreative, innovative Arbeit – für jene Bereiche also, in denen wir als Menschen unsere individuellen Stärken besonders gut einbringen können.“
Die Chancen der Künstlichen Intelligenz – und ihre Grenzen
Entscheidend sei, dass die Menschen den Einsatz neuer Technologien positiv, aber auch kritisch begleiten. Künstliche Intelligenz sei per se weder gut noch schlecht; ihr Nutzen hänge maßgeblich davon ab, wie wir sie gestalten und anwenden. „Sie kann uns helfen, Zeit zu sparen und Informationen effizient zu verarbeiten. Gleichzeitig müssen wir verantwortungsbewusst mit Themen wie Datenqualität, Verzerrungen und Datenschutz umgehen.“ Noch sei KI bei Aufgaben, die Kontextverständnis und das Denken „außerhalb des Tellerrands“ erfordern, den Menschen klar unterlegen. Hier liege eine zentrale Chance: „Die Kombination aus menschlicher Empathie, Kreativität und lösungsorientiertem Denken kann gemeinsam mit intelligenten Technologien Innovation auf ein neues Level heben.“
Fazit: Mut zur Innovation und zum Üben von Lösungsbegabung
Viele Menschen würden den aktuellen Entwicklungen mit Unsicherheit und Sorge begegnen – insbesondere was künstliche Intelligenz betrifft. Hengstschläger appelliert: „Wir sollten uns nicht von Angst lähmen lassen, sondern die Chancen ergreifen, die sich am Schnittpunkt von Mensch und Maschine bieten. Wenn wir gezielt Lösungsbegabung und Schnittstellenkompetenz fördern, werden wir bereit sein, die Herausforderungen der Zukunft nicht nur zu meistern, sondern aktiv zu gestalten.“ Wer Bewährtes effizient nutzt und zugleich mutig Neues ausprobiert, legt damit das Fundament für Generationen überdauernden Unternehmenserfolg.